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New York: Der Puls des Lebens. Verliebt in eine Stadt.

Meine Freundin und Kommilitonin Meike hat ihren letzten Sommer in einer der beeindrucksten Orte der Welt verbracht: New York City! Nach unserem Wiedersehen, einem längeren Plausch und ein wenig Brainstorming hatten wir Lust gekriegt aus ihren Erfahrungen eine kleine Reihe auf Oh Walley zu produzieren. Viel Spaß beim Lesen vom Zweiten Teil der großen New York Erfahrung einer ganz normalen Berliner Studentin, die es in die weite Welt verschlagen hat.

Ich muss zugeben, dass New York bis vor ein paar Monaten gar nicht konkret auf meiner Bucket List stand. Ich hielt den Hype immer für etwas überbewertet. Eine Stadt wie viele andere! Bestimmt schön, aber eben schlicht und einfach eine Stadt. Ob ein Ort schön ist oder nicht, hängt schließlich sehr stark von den persönlichen und subjektiven Erfahrungen ab, die man dort macht und die lassen sich ja oft nur indirekt steuern. Ich will nicht sagen, dass ich die Einladung nach New York nicht zu schätzen wusste – ganz im Gegenteil, die Zusage kam wie ein Hauptgewinn im Lotto (und wenn es um Glücksspiele geht bin ich erfahrungsgemäß die Dauerniete). Nur hatte ich New York eben nicht auf dem Radar. Tja, so spielt das Leben, denn von heute auf morgen hatte ich die besagte Praktikums-Empfehlung auf dem Tisch und den Big Apple plötzlich sehr auf dem Radar. Und hätte es von da an auch gar nicht mehr anders gewollt.

Manhattan

Nach meiner abenteuerlichen Reise vom Flughafen Newark nach Heimathafen Brooklyn traute ich mich erst an Tag drei wieder nach Manhattan. Ich kaufte mir einen New York Guide („300 reasons to love New York“ – guter Köder!) und setzte mich in den Bryant Park vor der New York Library, um mir eine lange To Do List zu schreiben. Ich musste erstmal ein Gefühl dafür bekommen, wie weit ein Block ist, welche Strecken fußläufig und welche Viertel angesagt sind und wie groß der Central Park ist (verdammt groß). Da saß ich also und lernte Theorie, um den Kulturschock zu mildern. Mir gegenüber auf der anderen Seite des Parks wurde gerade ein Opernstück aufgeführt (kostenlos, jeden Abend im Sommer), direkt vor einem Glas-Koloss mit 41 oder 42 Stockwerken. Kurz vor Ende habe ich mich verzählt. Überhaupt ist der Bryant Park von Skyscrapern eingerahmt. Kein Wunder – er liegt in Midtown an der 42. Straße, also mitten in der zweiten Skyline New Yorks. Zwischen dem Financial District und Midtown ist der Boden nicht massiv genug, um Wolkenkratzer zu tragen. Deswegen findet man im Radius um East Village und Greenwich Village und Soho die vielen denkmalgeschützen Straßen mit zuckersüßen Brownstones in Reih’ und Glied. Lower Manhattan wird natürlich vom neuen One World Trade Center gekrönt, der Lulatsch unter allen Türmchen. In Midtown ist und bleibt das Empire State Building unerreichbar.

Besonders die Avenues haben mich jeden Tag aufs neue beeindruckt. Während die Streets quer durch Manhattan führen und oberhalb der Houston Street (sprich: Hausten, nicht Justen wie man jedes andere Houston betonen würde… #onlyinNY) mit eins beginnend hochgezählt werden, führen die Avenues von Süden nach Norden. Und weil die Stadtplaner und Bauarbeiter im 19. Jahrhundert einen verdammt guten Job gemacht haben, kann man beim Überqueren der Avenues meistens bis zum Horizont sehen.

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Chinatown und der kleine Kulturschock

Ich glaube es muss noch am selben Tag gewesen sein, an dem ich auch im Bryant Park saß, als ich unter den „300 reasons to love New York“ von einem Dim Sum Restaurant las, das mich tierisch anmachte. Fun fact: Dim Sum bedeutet übersetzt ‘das Herz berühren’, vielleicht ein leichtes Overstatement. Es handelt sich dabei um eine Art Dumpling, also kleine chinesische Teigtaschen, die entweder gekocht oder frittiert werden; der absolute Chinatown-Verkaufsschlager. Als ich Chinatown erreicht hatte, sprangen mir so ziemlich aus jedem Schaufenster Dim-Sum-Reklamen entgegen. Da mir aber ein ganz bestimmtes Restaurant als best Dim-Sum in town nahe gelegt wurde und ich nicht riskieren wollte, enttäuscht oder über einen chinesischen Tisch gezogen zu werden, spazierte ich wie mit Scheuklappen, halb am verhungern und nach einem berührten Herzen lechzend wahnsinnig lange durch diese neue Welt.

Chinatown ist schon eine Marke für sich. Selbst an Banken und amerikanischen Geschäften stehen die Namen in chinesischen Schriftzeichen. Ich kam mir vor wie ein Fremdkörper und hätte mich kaum gewundert, wäre ich von Jackie Chan mit einem Roundhouse-Kick umgetacklet worden. An der Canal Street keiften mir kleine, gut konservierte Omis die Preise für ihr Obst ins Gesicht und obwohl man ja bekanntlich mit Hunger nicht einkaufen soll, fühlte ich mich unbeholfen und hungrig genug, mir ein halbes Kilo Litschis aufzuschwatzen. Das besagte Restaurant liegt direkt hinter dem Bloody Angle, einer kleinen Gasse in der sich vor hundert Jahren verfeindete Familiensippen und Bruderschaften wilde Bandenkriege leisteten. Seit 1933 ist dort aber Waffenstillstand und der Straßenwinkel nur noch dezent gruselig.

An meiner Dim-Sum Oase wäre ich in Gedanken fast vorbei gelaufen. Ein unscheinbares Restaurant, nicht besonders gut besucht. Ein richtiger Geheimtipp. Ich ging also rein und wurde auf chinesisch begrüßt und platziert. Das Menü ebenfalls chinesisch. Macht ja nichts, ich weiß ja was ich will. Dim Sum please. Der kleine alte Kellner kommt mit einer englischen Karte und brabbelt etwas Unverständliches in seinen Bart. Wir verständigen uns mit Händen und Füßen. No Dim Sum! Only Morning (Nur morgens?). Dim Sum no. No morning (Nicht morgens?). Hm. Ich frage nach etwas Vergleichbarem. Kellner nix verstehen. Was er mir denn vorschlagen könnte? Chinesisches Kauderwelsch, wie es scheint. Muss eine kulturelle Spezialität sein. Ich glaube Chicken rauszuhören. Ja das Chicken da nehm‘ ich. Shicken Fee? Ja, Shicken Fee! Was auch immer Fee ist, mit Shicken kann man ja nicht so viel falsch machen. Der Kellner schaut mich irritiert an. Wieso schaut der mich so an? Entschuldigen Sie, was kostet denn ‘Shicken Fee? 2$. Ich schaue irritiert zurück. Der kleine Mann vergewissert sich noch einmal: Nur ‘shicken Fee, ja? Ja, antworte ich und bin langsam wirklich verunsichert. Als ich den Kellner mit einer winzigen Schale kommen sehe, denke ich, dass ich bestimmt noch Reis hätte dazu bestellen sollen. Wahrscheinlich war er deshalb so verwundert. Er stellt die Schale vor mir ab und ich blicke auf sechs frittierte Hühnerfüße. Klar. Shicken Fee. Der Groschen fällt. Jetzt werde ich hektisch. Nope, nope. No. No way. There is no way I am eating this. I am so sorry. Der Kellner wird ebenfalls hektisch. Und sichtlich ungeduldig. Er bringt mir erneut die Karte. Peinlicher wird’s auch nicht mehr, denke ich,  und entschuldige mich in einer kleinen chinesischen Verneigung. Dann nehme ich meine Fee in die Hand und verlasse das Lokal. Auf dem Heimweg laufe ich an den selben Dim Sum Leuchtreklamen vorbei. Von wegen nur morgens, denke ich, aber der Appetit ist mir auch vergangen. Zum Abendessen gibt es Litschis.

„Shicken Fee? Ja, Shicken Fee! Was auch immer Fee ist, mit Shicken kann man ja nicht so viel falsch machen.“

Der Moment, wenn man plötzlich einen Weltstar trifft

Ein Punkt, der eigentlich auf meiner Bucketlist hätte stehen müssen, den man aber schwer planen kann: eine echte Celebrity treffen. Bestimmt kann man sich auch aktiv auf die Suche machen und in Greenwich Village oder Chelsea Hotspots abklappern, aber so richtig New York Style muss der Star doch eigentlich dich finden, damit du ganz unberührt tun kannst.

Ganz unberührt war ich nicht, es bestand aber auch keine akute Gefahr, aus den Socken zu kippen. Dabei wüsste ich auch nicht, wie ich mich darauf hätte vorbereiten können, Leonardo DiCaprio zu treffen.

New Yorkvia GIPHY

Ausgerechnet der! Nicht einfach ein Gesicht, dass die ganze Welt kennt, sondern jemand, für dessen Talent und Lebenswerk ich tatsächlich allerhöchsten Respekt übrig habe. Zugegebenermaßen hätte ich ihn gar nicht erkannt. Wer soll auch damit rechnen in einem Schmuckladen in Williamsburg. Ich war gerade schwer beschäftigt, mir zu überlegen, ob ich diese Kette wirklich, wirklich schön finde, oder ob ich mich zwecks des Angebots zwei Teile für 30$ zum Werbeopfer mache.

Mit Sonnenbrille und Basecap getarnt gingen nicht die Spotlights und Trommelwirbel los, die man im Kopf hat, wenn man sich eine Begegnung dieser Art vorstellt. Im Übrigen ist mir vor Allem Leos Freundin aufgefallen. Die war nämlich ein echter Kotzbrocken zu der Verkäuferin, die wiederum nur Augen für Leo hatte. Sie flüsterte mit schwacher Stimme, dass Leonardo DiCaprio gerade den Laden verlassen hätte. Woraufhin meine Freundin und ich natürlich die Fahndung aufnahmen und Leo und Anhängsel im Candystore nebenan erspähten. Hier das “How to deal with Celebs in NYC”: Just don’t.

Ungeschriebene Regel Nummer 1: Wie ich in meinem Guide las, genießen Promis in New York City das Privileg nicht belästigt zu werden. New Yorker sind zu cool, als dass sie eine vorbeilaufende Prominenz tangieren könnte. Sie respektieren die Privatsphäre und nehmen die Präsenz schlicht und zurückhaltend zur Kenntnis. Da Leonardo DiCaprio mit Sonnenbrille und Cap ganz offensichtlich privat unterwegs war, hielten wir uns ebenfalls an den Codex; schnupperten scheinbar unbeeinruckt die Luft, die dieser Weltstar im Vorbeigehen hinterließ und sparten uns den Kontrollverlust auf, bis das teure Paar die Mini-Mall verlassen hatte. Später, als wir essen waren, um nach diesem Schock wieder zu Bewusstsein und Kräften zu kommen, fuhren beide noch einmal an uns vorbei. Auf einem City-Bike! Vorbildlich und überraschend menschlich. Fast normal.

Das sind diese kleinen Geschichten, die ich meine. Sie machen New York schön für mich. Sehr subjektiv schön. Aber ich habe lange nachgedacht und bin zu einem Schluss gekommen. Ich kann all diese Geschichten ausklammern und New York bleibt schön. Schön von innen sowieso, aber eben auch von außen. Wie oft bin ich stehen geblieben, um mir ein bestimmtes Haus genauer anzuschauen. Aus dem Central Park sieht man so viele Gebäude und Fassaden und eine ist schöner als die nächste. Man muss nur zwei Minuten an einer Ecke stehen bleiben und das Treiben beobachten und es ist als wär man Zuschauer eines Theaterstücks. Egal wo, egal wann. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich neu in dieser Stadt war und mich bezaubern lassen wollte. Vielleicht halte ich zu Hause nicht oft genug inne um die Ästhetik der Stadt auf mich wirken zu lassen. Aber ohne mich anzustrengen, lief ich jeden Tag über beide Ohren grinsend durch die Straßen und genoss diese Stadt. Wie sie lebt und leben lässt.

1. Teil: New York: Auf den Spuren der großen Träume

2. Teil: New York: Der Puls des Lebens. Verliebt in eine Stadt
(aktueller Artikel)

3. Teil: Von Pfirsichen und Kokosnüssen: Wie man in New York Freunde findet (und wie nicht)

4. Teil: Ob ich mich jetzt eine New Yorkerin nennen darf

Gastbeitrag: Meike Wüstenberg, Studentin
Fotos, Video: Mary, Pexels

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